Gymnocalycien ohne Zuordnung, Phantasie-Namen und Hybriden

Guten Morgen Gast. Schön, dass Sie mal hereinschauen! Einen angenehmen Aufenthalt wünscht das "Sukkulentenforum"-Team.
  • A - aha! Deswegen heißt die Pereskia heute noch Pereskia und nicht Peireskia. Weil man ja in der Taxonomie keine anderen Probleme hat. :D

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Weil man ja in der Taxonomie keine anderen Probleme hat.


    ..........gerade bei den Gymnocalycien, um beim Thema zu bleiben........... ;)

    Sukkulentenfieber ist eine schwere Krankheit! Wer sich infiziert hat, ist nicht zu retten!
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    Tom

  • Ich habe mich entschlossen, diese Pflanze mal hier vorzustellen:


    Gymnocalycium rauschii HT 408. Erstbeschrieben von Hans & Walter Till im Jahre 1990 in der niederländischen Succulenta 69(2) und dann nochmals im selben Jahr auf Deutsch in Gymnocalycium 3(4).


    Auf dem Foto ein Ableger der Holotyp-Pflanze.


    Die Umstände dieser Pflanzen sind äußerst dubios und verworren; Walter Rausch hat die Pflanzen auf einer seiner Touren 1968 laut eigener Aussage in Uruguay, im Dept. Tacuarembo, in der Nähe von Ansina gefunden. Alle Pflanzen aus jenem Habitat, egal ob Gymnos oder nicht, bekamen von Walter Rausch seine Feldnummer WR 350 verpasst. Hans Till erhielt das einzige Gymno-Exemplar und beschrieb es dann erst 22 Jahre später. Er stellte es zur Samengruppe Gymnocalycium (damals noch Ovatisemineum), was ziemlich verwunderlich ist: Diese Samengruppe war bis dato in Uruguay unbekannt; einzig Vertreter der SG Macrosemineum waren dort zu finden, namentlich G. uruguayense, G. netrelianum, G. leenanum, usw.
    Von Hans Till wissen wir, dass seine einzige Pflanze noch dazu eine weibliche Blüte hatte; Bestäubungsversuche mit (für ihn) verwandten Arten brachten nur ein paar Samen hervor, welche denen mehr der Samengruppe Gymnocalycium ähnelten.
    Bis heute wurden diese Pflanzen in der angegebenen Gegend nicht mehr gefunden; was man heute auf dem Markt als G. rauschii erhalten kann, sind bestenfalls alles Klone des Holotypus', oder Kreuzungen mit anderen Gymnos (sofern dies jemals gelungen ist). Vom Habitus her ähneln die Pflanzen G. hyptiacanthum. Wolfgang Papsch sieht in diesen Pflanzen eine Doppelbeschreibung von G. bruchii var. brigittae, welche aber nicht aus Uruguay, sondern aus Córdoba, Argentinien stammen: Etwa 1000 km entfernt weiter westlich. Ein Gerücht besagt, dass Walter Rausch die Pflanze von einem Estanzia-Besitzer erhalten haben könnte. Nur ob es sich um eine Wildpflanze oder um eine Kreuzung aus dessen Garten/Glashaus, oder sonst was gehandelt hat, ist nicht bekannt. Auch G. Charles vermutet hier eine Kreuzung aus G. hyptiacanthum X G. schroederianum.


    Zurecht ist die Einstufung in den Artrang dieser Pflanzen äußerst zweifelhaft, da es in besagter Gegend überhaupt keine Gymnocalycien gibt, welche auch nur annähernd als G. rauschii gelten könnten.


    Nebenbei war es für mich wieder ein Glücksfall, diese Pflanze entdeckt zu haben. Auch hier war das Exemplar mehr tot als lebendig: Schwer verbrannt und von Spinnmilben heimgesucht. Nun, es hat sich gelohnt, auch wenn der Körper nun nach vorne eingesunken ist. Ich bin mir sicher, das verwächst sich wieder.

    Gruß Stefan

  • Einmal mehr ein Hinweis zur Verwirrung innerhalb der Gymnoszene und wie sowas überhaupt zustande kommen kann. :wacko:
    Trotzdem eine schöne Pflanze, der Gymnoflüsterer hat ganze Arbeit geleistet! :thumbup:

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    Tom

  • Hallo,
    durch gute Beziehungen zur Familie Haage konnte ich ebenfalls einen Originalklon erhalten, den Hans Till damals zur Bestimmung und Diskussion zu Walter Haage nach Erfurt mitbrachte und dann dort ließ. Mir fiel diese Pflanze auf, als ich sie etwa 1990 unter den Mutterpflanzen von G.parvulum oder G. calochlorum entdeckte. Ich bekam sie mit und als bei einem nächsten Kakteenfreundebesuch diese Pflanze blühend im Wohnzimmer stand, rannte D.Metzing sofort darauf zu und fragte mich, woher ich eine G. rauschii hätte. Sie hatte auch noch das Originalschild 408 was bei Till 4.August bedeutete, das Datum, an dem er die Pflanze bekam. Bin gespannt, ob sie mich dieses Jahr wieder mit Blüten erfreut.


    VG
    GYmnofan

  • Hallo,
    hier auch noch eine nette Geschichte über einen Namen, der kommerziell vertrieben wurde aber nirgends zugeordnet werden konnte.
    Ich fand diese Pflanzen vor vielen Jahren in einer Kakteengärtnerei und konnte natürlich mit dem Namen nichts anfangen. Durch langwierige Recherche stellte sich dann heraus, daß dieser Händler von J. Piltz Samen eines Neufundes bekam, der handschriftlich mit "G.spec. east Cordoba" beschriftet war.Dieses kleine "e" war etwas undeutlich, s odaß daraus dann ein cast Cordoba wurde. In Wirklichkeit war es dann, nachdem dieser Fund erstbeschrieben wurde, ein G. taningaense. So entstehen neue Gymnonamen, ähnlich wie oft auch Fechsers bewußt irreführende Abkürzungsnamen wie spec. cand Fechser oder sein spec.Ros Sol


    Vg
    Gymnofan

  • Stimmt, Stefan, jetzt wo Du es sagst, erinnere ich mich auch, davon schon öfter hier im Forum gelesen zu haben... :whistling: Urs

    Quallen haben 650 Millionen Jahre ohne Gehirn überlebt. Das gibt vielen Menschen Hoffnung.

  • G.rauschii, ich besitze 3stk G.rauschii, eines stammt von einer H.Till Pflanze, ein anderes von einer W.Rausch Pflanze, und eines von einem G.Freund, den ich hier nicht nenne. Meine Beobachtungen nach 3Jahren dieser Pflanzen in der Kultur, sind folgende: sehr langsames Wachstum, (pro Jahr 2mm im Durchm.) 1Stk hat geblüht mit einer einzigen rosa Blüte. Mit hyptiacanthum meiner Meinung nicht zu vergleichen (Dornen viel feiner). Möglicherweise ist es wirklich eine Hybride? Wir werden es vielleicht niemals erfahren. Trotzdem freue ich mich diese kleinen sagenumwobenen Pflanzen zu besitzen.

  • Mit hypticanthum meiner Meinung nicht zu vergleichen

    So? Du zeigst 3 Sämlinge, deren Dornen sind viel feiner als bei adulten Pflanzen. Alle uruguayischen Pflanzen zeigen als Jungpflanzen eine sehr feine Bedornung. Erst später bekommt z. B. G. uruguayense (G. artigas) diese derbe, anliegende Bedornung. Ich persönlich kann Sämlinge dieser Taxa gar nicht, oder nur sehr schwer unterscheiden. Das von Dir erwähnte langsame Wachstum kann ich hingegen nur unterstreichen. Das haben aber alle uruguayischen Gymnos gemeinsam, natürlich im Vergleich zu den im Habitus ähnelnden Gymnos der Samengruppe Gymnocalycium, welche sehr wüchsig sind.

    Gruß Stefan

  • Ich besitze auch Sämlinge von G uruguayense im selbenAlter, die sehr viel stärker bedornt sind. Ich bleibe dabei, die Bedornung ist mit Abstand feiner. Auch bei den Altpflanzen.

  • Oh ja, ich will es ganz genau!
    Deshalb zeig' doch mal einen Sämling von einem echten G. hyptiacanthum: DU hast doch behauptet, die würden anders als G. rauschii-Sämlinge aussehen! :D

    Gruß Stefan

  • Aha. Da liegt der Hund begraben: Du zeigst eine Pflanze mit der Feldnummer MM 371. Gemäß der Liste von Massimo Meregalli handelt es sich um ein G. hyptiacanthum ssp. netrelianum! Meregalli und G. Charles haben 2007 doch den Unfug begangen, alle uruguayischen Gymnos als Subspezies zu G. hyptiacanthum zu stellen. (In Cactaceae Systematics Initiatives 24). Mittlerweile ist Massimo Meregalli sich nicht mehr ganz so sicher, ob das so weise war.
    Wie dem auch sei: Deine Pflanze ist wieder ein G. netrelianum und kein reines G. hyptiacanthum. Sorry! ;)
    Pflanzen aus den Dept. Canelones oder Florida, Uruguay, kämen als echte G. hpytiacanthum in Betracht. Deines stammt aus dem Dept. Maldonado: klassisches Stammland im südlichsten Uruguay von G. netrelianum / G. leeanum.

    Gruß Stefan

  • Ich weiß das Stefan, aber in der Eile hab ich, aus meinen 698 Gymnos dieses herausgefischt. Es ist ein hyptiacanthum subsp. netrelianum aff. Momentan starker Regen morgen schau ich welche G.hyptiacanthum ich noch besitze.