Woher wissen Sukkulenten wann Winterruhe ist?

Guten Morgen Gast. Schön, dass Sie mal hereinschauen! Einen angenehmen Aufenthalt wünscht das "Sukkulentenforum"-Team.
  • Hallo,


    ich habe hier mal eine Frage, auf die ich nirgendwo eine ausführliche Antwort gefunden habe.
    Woher wissen Sukkulenten, wann für sie Winterruhe ist?


    1.) Es wird kälter: Gut, aber ich habe viele Sukkulente im Zimmer, da wird es nicht so viel kälter. Eher im Gegenteil, an der Fensterbank ist oft auch der Heizkörper. Meine Pflanzen fühlen sich trotzdem wohl, auch wenn man immer liest, man soll kühl überwintern. Im Frühjahr, wenn man nicht mehr heizt, ist es direkt an der Fensterbank eher etwas kühler und trotzdem wachen die Sukkulenten auf.
    Und Pflanzen von draussen hole ich immer möglichst spät, meist kurz vor dem Frost, rein - da haben die noch Blätter. Im Stiegenhaus ist es dann wieder wärmer und trotzdem verlieren sie ihre Blätter bis zum nächsten Frühjahr.


    2.) Kürzere Tage: OK, im Herbst. Da haben die Pflanzen noch Blätter und merken das. Aber ohne Blätter im Frühjahr, woher wissen die dann, dass die Tage wieder länger werden?


    Irgendwie muss es da noch andere Gründe geben.


    vG
    Harald

  • Hallo und Willkommen bei uns.
    Also ich finde die Frage auch nicht schlecht zumal ich mir das bei meinen Pflanzen im Terrarium auch oft denke. Denn im Terrarium haben sie konstant 12 Std. Licht. Einzig die Temperatur schwankt Wetter/Klimazeiten bedingt. Die meisten von ihnen blühen, wenns kühler wird. Dort könnte es so sein, dass es durch die Regenzeit etwas abkühlt. Vielleicht ja nur 3-5 Grad. Womöglich ist das sehr ausschlag gebend. Andere brauchen auch die starken Rhythmen wie Frühling, Sommer und Winter.
    Denke es ist je nach Art ein anderer Faktor wichtiger bzw. vorrangiger. Bin gespannt ob jemand etwas richtig fachliches dazu bieten kann. Mit Sicherheit.


    LG

  • trotzdem wachen die Sukkulenten auf.


    .........woher weißt Du dass sie schlafen?
    Ok, ich hab's mal so gelernt;
    die Sukkulenten die wir hier pflegen, stammen meist aus Habitaten, die eine enorm hohe Lichtintensität haben. Diese entscheidet zwischen Stoffwechselaktivität oder Ruhe. Hier bei uns läßt diese Lichtintensität(wenn unsere hier überhaupt vergleichbar ist) in Richtung Herbst stark nach und die Pflanzen gehen immer mehr in die "Ruhephase" über.
    Ebenfalls gibt es dort zumeist extreme Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, die ebenfalls stark den Stoffwechsel beeinflussen. Eine direkte Winterruhe in dem Sinne gibt es dort nicht. Wir haben diese hier bei uns nur "eingebaut", weil dieser tägliche Temperaturwechsel dort, hier bei uns nicht machbar ist, aber bei den blühfähigen Pflanzen für die "Blühinduktion" sorgt.
    Werden also bei uns die Pflanzen auf der Fensterbank durchkultiviert, zwingen wir die Pflanzen zum Stoffwechsel. Da aber die gewohnte Lichtintensität und Menge fehlt, können Zellstruckturen nicht normal aufgebaut werden, was oft zu "Geilwuchs" oder eben nicht "normalen" Äußerlichkeiten führen kann. Die fehlende "Abkühlung" führt zur Blühfaulheit.
    Hoffe ich hab nichts vergessen.

    Sukkulentenfieber ist eine schwere Krankheit! Wer sich infiziert hat, ist nicht zu retten!
    We do not forgive!! We do not forget!!
    Tom

  • Danke für eure Antworten, aber ein Punkt fehlt mir noch. Wenn die Pflanzen keine Blätter haben, woher wissen die Pflanzen, dass sie wieder austreiben können, weils wieder mehr und länger Licht gibt?


    Blühfaulheit kann ich übrigens bei meinen Pflanzen auf der Fensterbank (Kakteen und Sukkulenten) nicht nachvollziehen, die blühen fleissig, auch solche, die laut Literatur grundsätzlich als blühfaul gelten. Die Pflanzen zeigen auch einen kompakten, gesunden Wuchs. Einige davon verlieren aber im Winter die Blätter und treiben im Frühjahr zuverlässig wieder aus. Hier verstehe ich aber nicht, welche Bedingungen nun Beginn und Ende der Ruhephase einleiten. Künstliche Beleuchtung hab ich mal probiert, hat nichts geändert - kann aber daran liegen, dass sie zu schwach bzw. die falschen Wellenlängen hatte.


    vG
    Harald

  • woher wissen die Pflanzen, dass sie wieder austreiben können


    Wie bei allen Lebewesen dieser Erde gibt es auch bei den Pflanzen gewisse genetische "Anlagen", die jeder Generation weitergegeben werden. Das ist ja auch Sinn der Evolution. Alles wird verarbeitet und zum Optimum gebracht, was nicht funktioniert, bleibt auf der Strecke. So setzen sich unter bestimmten Bedingungen Pflanzen/Tiere in ihrer Heimat durch, andere nicht.

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    Tom

  • Hallo Harald,


    zuerst einmal ein herzliches Willkommen hier!


    Durchaus berechtigte Fragen von dir. Aber keine Sorge, die Pflanzen merken auch ohne Blätter und Chlorophyll die Lichtmengen, die ihnen zur Verfügung stehen. Genauso wichtig ist aber auch das genetische Gedächtnis. Da wurde es im Laufe der Jahrhunderte fest verankert, zu welchen Jahreszeiten es sich lohnt, Gas zu geben und Ressourcen zu verbrauchen, und zu welchen eben lieber mal Pause angesagt ist.
    Diese genetischen Veranlagungen sind es ja dann auch, welche viele Pflanzen aus dem südlichen Afrika immer noch nicht mit den speziellen Bedingungen in Mitteleuropa konform gehen lassen.


    Übrigens: Wenn deine Pflanzen auch munter blühen (Glückwunsch dazu!), dann brauchst du dir über deine Kulturbedingungen auch keine weiteren Gedanken zu machen. Passt also alles! Für einige ist halt die Temperatur in ihrer Ruhephase sekundär.


    Viele Grüße - Shamrock (aka Matthias)

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Hallo Harald, und @all


    auf scheinbar einfache Fragen gibts meist keine einfachen Antworten :) . Ich kann aus Studiumszeiten vertiefend nur noch dieses dazu beitragen:
    Bei den Ruhezeiten der Pflanzen unterscheidet man eine endonome (echte, innere) Ruhe (=Dormanz), die im Organismus genetisch verankert ist. Er "weiß" damit im Voraus, wann mit ungünstigen Wachstumsbedingungen zu rechnen ist und richtet sich entsprechend darauf ein. Man kann ihm dann zwar gute Bedingungen geben, z.B. im GH, die Dormanz wird aber dadurch nicht unterbrochen. Ein Beispiel ist die Induktion der winterlichen Knospenruhe bei unseren heimischen Sträuchern und Bäumen.


    Die zweite Form der Ruhe ist eine exogene Ruhe (Quiescenz), die eine Folge von ungünstigen Bedingungen ist. Sie wird dem Organismus aufgezwungen, durch Kälte, Wassermangel, Lichtmangel usw.. Bei Eintritt wieder günstigerer Bedingungen, wird diese Form der Ruhe sofort unterbrochen. Diese Form der Ruhe dürfte unseren hiesigen Kulturbedingungen für Sukkulenten entsprechen. Nur, bei Sukkulenten kann man das im Winter unter künstlichen Bedingungen wohl nicht so gut simulieren, wie es für ein normales Wachstum mit normaler Stoffwechselaktivität (d.h. unter optimalen Bedingungen) nötig wäre. Es hängt sicherlich auch von der Art ab, ob z.B. Blätter abgeworfen werden oder nicht.


    Gesteuert wird Beginn und Ende der Ruhe wie z.B. Blattfall und Blattaustrieb durch verschiedene Steuerfaktoren, wie meine Vorschreiber ja schon sehr gut erklärt haben. Tageslänge, Lichtintensität, Lichtfarbe und Temperaturen haben den größten Einfluss. Die Pflanze hat dafür spezielle Photorezeptoren, mit der sie all das messen kann und bei Unterschreitung oder Überschreitung von Schwellenwerten mit der Produktion von Phytohormonen beginnt, die dann z.B. Blattfall oder Blühinduktion auslösen.
    Im Detail sind diese Prozesse aber schrecklich kompliziert, ich könnte das nicht mal ansatzweise wiedergeben (obwohl ich die Pflanzenphys-Prüfung im Vordiplom 2mal machen musste :S ). Wenn es Dich aber näher interessiert empfehle ich Dir das Lehrbuch der Pflanzenphysiologie von E. Libbert, Gustav-Fischer-Verlag.


    Schöne Grüße
    lorbaer

  • Im Detail sind diese Prozesse aber schrecklich kompliziert, ich könnte das nicht mal ansatzweise wiedergeben

    Im Endeffekt sind Pflanzen halt genauso hormongesteuert wie wir Menschen (oder letztendlich halt alle höheren Lebewesen).
    Aber du hast das schon sehr gut und verständlich erklärt. Da durfte ich auch mal wieder kräftig Neues lernen... Danke!

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Danke für den wissenschaftlichen Hintergrund! Wird Harald uns verraten, ob' s ihm befriedigend genug ist?

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    Tom

  • Danke für eure Antworten :)
    Pflanzenphysiologie will ich deshalb nicht studieren, auch wenn es sicher interessant wäre, mir fehlt die Zeit ;)
    Wenn Pflanzen auch ohne Blätter die Lichtverhältnisse messen können, hat sich natürlich ein Großteil meiner Frage erübrigt. Ich bin davon ausgegangen, dass das nur über Blätter und grüne Triebe geht.
    Der Rest ist dann offenbar ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren.


    vG
    Harald

  • Wenn Pflanzen auch ohne Blätter die Lichtverhältnisse messen können, hat sich natürlich ein Großteil meiner Frage erübrigt. Ich bin davon ausgegangen, dass das nur über Blätter und grüne Triebe geht.

    Woher weiß der Igel, dass es in einem sonnigen, milden Herbst dennoch Zeit ist, nach einem Winterquartier zu suchen? Und woher weiß die eingegrabene Kröte, dass vier oder fünf sehr milde Februartage noch kein Grund zum Ausgraben sind? Woher weiß sie auch, dass es einige Wochen später Zeit ist zum Rauskommen, auch wenn es noch üble Nachtfröste gibt? ;)
    Der Rest ist dann wirklich kompliziert und denen vorbehalten, die gerne sehr tief in die Materie einsteigen.


    Falls du noch weitere, interessante Fragen haben solltest: Immer her damit!

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Müssten unsere Pflanzen, abgesehen von ihrem genetischen Rhythmus, nicht völlig durcheinander geraten in unseren Breitengraden? Bei mir frag ich mich zumindest, wie sie es schaffen überhaupt zu blühen bei dem Temperatur Chaos was ich ihnen biete. Im Sommer draußen, wenn kühl wird drinnen, wenns richtig kalt wird, bollert die Heizung von unten und oben ziehts kühl durchs Fenster.. Also warmer Hintern aber kalte Ohren..
    Ist die Blüte eigentlich ein Zeichen dafür, dass es der Pflanze gut geht ?(

  • Eine Blüte kann auch als Notnagel entstehen wenn die Pflanzen ihre letzten Kräfte mobilisieren und vor dem Tod für Nachwuchs sorgen möchten. Notblüte nennt man das. Aber da sehe ich glaube bei deinen Pflanzen keine Probleme. Sind natürlich gute Beispiele die du nennst. Ist schon wunderlich wie die es hin bekommen. Mit dem Blühen assoziiere ich es schon, dass es ihnen gut geht. Aber auch eher nur, wenn zusätzlich Laub und Co. gut aussehen und kräftig sind.

  • Hat Benni (aka Spielmannsfluch) gut gesagt. Bei deinen Pflanzen sehe ich es auf jeden Fall als gutes Zeichen, dass sie sich wohlfühlen. Nach Notblüte sah da echt nix aus.


    Ansonsten sind halt sukkulente Pflanzen sowieso Extremisten, welche sich mit den widrigsten Umständen arrangieren müssen. Somit erarbeiten sie sich aber auch ihren Standortvorteil und kommen zu ihrer enormen Anpassungsfähigkeit, welche uns dann in Kultur entgegen kommt.
    Übrigens sind kalte Ohren und ein warmer Hintern gar nicht mal so schlecht. Allemal besser und gesünder als kalte Füße!

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  • Bei gesunden Pflanzen gehört es zum normalen Rythmus, zu blühen. Eine Notblüte wird nur gebildet, wenn das "Fortkommen" in Gefahr ist. Diese fällt dann aber auch eher kümmerlich aus, weil die körperlichen Resourcen meist schon verbraucht sind.

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    Tom

  • Das heißt, man würde es der Pflanze eindeutig ansehen, wenn es sich um eine Notblüte handelt? Mein Geldbaum hat z.B. auch schon voller geblüht als jetzt, sieht aber gesund aus.

  • Hab ich auch. Es gibt Jahre die besser ausfallen für die Pflanzen und schlechtere. Keine dieser Jahre müssen sie umbringen aber bei den Ernten in Deutschland ist es ja auch mal so mal so. Aktuell zum beispiel meine ich, dass meine Orchidee beim Händler mehr Blüten an den Rispen hervorbrachte. Die Pflanze hat sich aber verdoppelt und legt etliche Rispen an. Mache mir also nicht wirklich Sorgen.